Unser Leben basiert auf Vertrauen. Wir vertrauen unseren Freunden. Wir vertrauen darauf, dass wenn wir mit dem Auto irgendwohin fahren, wir sicher ans Ziel kommen. Wir vertrauen darauf, dass wenn wir in einem Restaurant essen, das Essen nicht vergiftet ist. Warum tun wir das? Weil wir aus unserer Erfahrung, aus unserer Sozialisation und unserem generellen Bewusstsein heraus so handeln. Und das ist gut so. Es gehört zu unserem Leben.
Aber wenn wir ehrlich sind, haben wir nie wirkliche Sicherheit. Wir wissen nie, dass wir keinen Autounfall haben werden. Wir wissen nie, dass unser Essen nicht verdorben ist. Wir vertrauen darauf. Oder - um ein anderes Wort zu gebrauchen - wir glauben es.
Nochmals: das gehört zu unserem Leben. Zu glauben, wir hätten irgendetwas wirklich unter Kontrolle, ist eine Illusion. Das Leben ist zu reich, zu vielgestaltig, zu unerwartet, als dass wir es kontrollieren könnten.
Dasselbe gilt für die Situation mit dem Covid-Virus. Menschen untersuchen das Virus. Sie vertrauen darauf, dass ihre Untersuchungen adäquat und umfassend sind. Menschen entwickeln einen Impfstoff. Sie vertrauen darauf, dass der Impfstoff wirkt. Menschen testen den Impfstoff. Sie vertrauen darauf, dass ihre Tests umfassend sind. Sie vertrauen darauf, dass nicht plötzlich irgendeine neue Beobachtung auftritt, die ihre Erkenntnisse auf den Kopf stellt. Ärzte und Pharmakonzerne vertrauen den Impfstoffen. Wir vertrauen den Ärzten. Und so weiter.
Wir haben dieses Vertrauen, obwohl wir alle wissen, dass die Wissenschaft irren kann - genauso wie wir trotz allen Vertrauens und trotz aller Umsicht und Sorgfalt jederzeit einen Autounfall haben können. Wie oft ist es schon passiert, dass bislang völlig unbekannte oder unberücksichtigte Aspekte aufgetreten sind, die eine ganze Weltanschauung über Bord geworfen haben. Wir wissen auch, dass Ärzte irren können. Auch sie können sich nur auf ihre Erfahrung berufen - aber in die Zukunft schauen können auch sie nicht.
Das heisst, unser Leben ist viel mehr eine Glaubenssache, als wir das normalerweise zugeben. Wir alle entwickeln einen Glauben, dem wir nachgehen. Die einen glauben der Schulmedizin, die anderen glauben der Alternativmedizin. Die einen glauben Politikern, die anderen dem Pfarrer, dem Verschwörungstheoretiker oder der besten Freundin. Aber genau so wie bei den Religionen: Sicherheit hat niemand, wenn er oder sie ehrlich ist. Niemand weiss, ob die Covid-Impfung langfristig unbedenklich oder problematisch ist. Niemand kennt die Zukunft. Wir alle vertrauen auf unsere Untersuchungen, unsere Quellen und unsere Intuition.
So kommt es, dass unsere Glauben verschieden sind. Das ist schon in der Religion so. Und die Diskussion zwischen verschiedenen Glaubensbekenntnissen ist selten fruchtbar, solange das Ziel das ist, den eigenen Glauben zu verteidigen und den anderen für einen Idioten zu erklären. Stellt Euch mal eine Diskussion vor zwischen einem Atheisten und einem Christen über die Frage, wer von beiden "recht" hat. Ich denke, wir sind uns einig, dass eine solche Diskussion nirgendwo hin führt.
Dasselbe gilt für die Frage der Impfung. Wir alle vertrauen unseren Quellen. Wir glauben an unsere Quellen. Und das ist gut so. Jede und jeder hat das Recht auf den eigenen, persönlichen Glauben. Glaubensfreiheit ist etwas vom Wichtigsten in einer demokratischen Gesellschaft. Unser Leben funktioniert so.
Nun aber ist ein Glaube zur Staatsreligion erklärt worden. Wer ihm nicht folgt, ist ein Ketzer. Und das geht nicht, in meinen Augen. Ich will für mich das Recht haben, nicht an die Impfung zu glauben. Ich will für mich das Recht haben, ein anderes Verständnis von Krankheit zu haben, als es die Schulmedizin verkündet. - Noch habe ich dieses Recht, aber es wird mir sehr viel schwerer gemacht. Ich muss mich regelmässig testen lassen, damit ich meinem Beruf nachgehen kann. Ab dem 1. Oktober muss ich das auch selber bezahlen. Es geht ins Geld. Ich kann kein Restaurant mehr besuchen, kein Kino, kein Museum, ohne diesen Test zu haben.
Dabei gefährde ich als Nicht-Geimpfter meine Mitmenschen nicht mehr als jemand, der geimpft ist. Das Virus kann in beiden Fällen übertragen werden, und wenn man den aktuellen wissenschaftlichen Studien Glauben schenkt, ist die Viruslast bei Nicht-Geimpften und Geimpften vergleichbar. Von mir geht also keine erhöhte Gefahr aus.
Seit letztem Mittwoch ist es so - und mir ist bewusst, dass das radikal ist, was ich sage, aber so ist mein Eindruck - dass ich meinem ketzerischen Glauben abschwören muss, um mich normal in die Gesellschaft zu integrieren. Und das passt mir nicht. Es erinnert mich viel zu sehr an die Abschwörungen, die wir aus dem Mittelalter und der beginnenden Neuzeit kennen - wobei es damals um das Weltbild der Kirche ging, das auf der ganzen damaligen Welt verbreitet war. Da hatten Ketzer und Hexen keinen Platz.
Bis auf weiteres bleibe ich eine Hexe und bleibe meiner Intuition und meinem Glauben treu.