Für heute ein Brief, den ich an die Redaktion der WOZ geschrieben habe:
Sehr geehrte Damen und Herren
vor ein paar Tagen erhielt ich die Aufforderung, mein Abonnement der WOZ zu erneuern. Während ich sonst nie gezögert habe, dieses zu tun, liegt diesmal die Rechnung noch unbezahlt auf meinem Schreibtisch. Der Grund dafür ist die Berichterstattung, die ich in der WOZ zum Thema Covid-19 wahrnehme.
Bitte legen Sie diesen Brief nicht beiseite. Bitte stecken Sie mich nicht in die Schublade der ungebildeten Freiheitstrychler und SVPler. Bitte hören Sie mir zu.
Ich bin kein Freiheitstrychler, ich bin schon gar kein SVPler, und ich würde von mir selber behaupten, dass ich auch nicht ungebildet bin. Dennoch befinde ich mich im Hinblick auf die Pandemiebewältigung in Widerspruch zu dem, was in der Schweiz im Moment passiert.
Warum ist das so?
Zum einen: ich hänge nicht der Schulmedizin an. Wenn ich eine Krankheit wie Covid-19 habe – und ich hatte sie, weiss also, wovon ich spreche – dann kuriere ich mich mit Echinacea, Homöopathie und viel Schlaf. Ich nehme keine chemischen Mittel. Ich möchte durch diese Krankheit durch, weil ich überzeugt bin, dass mein Immunsystem danach gestärkt ist und ich auch mental aus dieser erzwungenen Auszeit bereichert hervorgehe. Diese Überzeugung wurde durch meine Covid-Erkrankung bestätigt.
Eine Impfung kommt für mich nicht in Frage. Ich misstraue den mRNA-Wirkstoffen. Ich will lieber meinen Körper machen lassen. Ich will mir nicht die Möglichkeit nehmen lassen, natürlich auf Krankheiten zu reagieren – und auch mal krank zu sein. Als ich Covid-19 hatte, habe ich mich zurückgezogen, wie ich das auch sonst gemacht hätte, habe niemanden angesteckt und mich der herausfordernden 3wöchigen Isolation gestellt. Durch mein Verhalten habe ich meine Verantwortung der Gesamtheit gegenüber vollumfänglich wahrgenommen.
Da die Zertifikatsfrist für Genesene bei mir abgelaufen ist und ich zu wenig Antikörper habe, um dennoch ein Zertifikat zu bekommen, bedeutet dies für mich nun: konstante Tests, damit ich arbeiten kann, konstantes kompliziertes Organisieren des Timings, Umgehen mit den ständig wechselnden Testbedingungen des Bundes, sowie ein nicht zu unterschätzender finanzieller Einsatz. All dies ist mit enormem Stress verbunden. Ich schlafe schlecht und erlebe eine psychische Dauerbelastung. Auch die Konfrontation mit Unverständnis in meinem beruflichen und privaten Umfeld ist nicht immer einfach.
Neben diesen Unannehmlichkeiten gibt es auch einen ideellen Aspekt: jedes Mal, wenn ich ein Restaurant oder eine kulturelle Veranstaltung besuche, muss ich mich elektronisch kontrollieren lassen und mich ausweisen. Das geht mir enorm gegen den Strich. Mit der Impffrage hat das nichts zu tun. Es ginge mir genauso gegen den Strich, wenn ich geimpft wäre. Es erinnert mich an einen Polizeistaat.
Die Zertifikatspflicht leuchtet mir sachlich nicht ein. Es gibt ein paar leicht greifbare Facts, und man braucht kein Medizinstudium zu haben, um diese zu verstehen. Das Virus kann von Geimpften ebenso wie von Ungeimpften übertragen werden. Die Viruslast ist dieselbe. Die Dauer der Ansteckung ist anders. Somit kann ich im Zertifikat keine Sicherheit erkennen. Ich sehe vielmehr eine für manche Leute gesundheitlich gefährliche Scheinsicherheit. Ein Freund von mir, zweifach geimpft, liegt im Moment mit einem schweren Covid-19-Verlauf darnieder. Ich habe noch keine einleuchtende Erklärung dafür gefunden, warum dieses Zertifikat zur Bekämpfung der Pandemie beitragen soll. Was ich jedoch finde, ist eine gefährliche Kontrolle.
Sozial erlebe ich die Spaltung der Gesellschaft deutlich. Ich erlebe sie in meinem engsten Umfeld. Mit gewissen Freunden kann ich nicht mehr sprechen, weil das omnipräsente Thema sofort zu hässlichen Szenen führt. Die Art und Weise, wie Ungeimpfte in Medien für den Fortbestand der Pandemie und für die Überlastung der Intensivstationen verantwortlich gemacht werden, erinnert mich an mittelalterliche Hexenjagden. Mir graut vor der Mentalität, die da oftmals recht ungefiltert zum Ausdruck kommt. Ich lese davon, dass seit dem Beginn der Covid-Zeit die Intensivbetten in der Schweiz um 40% abgebaut wurden. Es ist klar, dass die verbleibenden 60% der Intensivbetten in der Folge überlastet sind. Statt dass dieser Abbau im Gesundheitswesen als Problem erkannt wird, sind nun plötzlich Ungeimpfte an der Misere schuld, und der moralische Druck, sich gegen die eigene Intuition impfen zu lassen, wird enorm.
Alle diese Erscheinungen sind nicht neu. Sie prägen unsere Gesellschaft seit Jahrzehnten, ja vielleicht schon Jahrhunderten.
Das bringt mich zur Berichterstattung der WOZ. Ich finde in der WOZ keine Kritik an diesen Zuständen. Ich finde vielmehr dieselbe normierte Argumentation, wie sie auch das BAG und der Bund fast schon gebetsmühlenartig vorbringen. Ich sehe, wie impfkritische Menschen in einen Sammeltopf von Ungebildeten und tendenziell primitiven Innerschweizern geworfen werden. Sarkasmus und Spott sind allgegenwärtig. Eine tiefere Auseinandersetzung mit den Hintergründen der Impfkritik, so divers diese auch sein mögen, kann ich nicht wahrnehmen.
Mit anderen Worten: mein links schlagendes Herz findet sich in der WOZ nicht wieder. Als Angehöriger einer Minderheit fühle ich mich nicht (mehr) repräsentiert. Die Kritikfähigkeit, die der Hauptgrund ist, warum ich die WOZ abonniert habe, scheint punkto Covid-19 wie vom Winde verweht. Die Distanz zum politischen Establishment ist erschreckend gering.
Stattdessen stosse ich mit meiner Kritik plötzlich im rechten Flügel des politischen Spektrums auf Resonanz – und ich brauche wohl nicht zu sagen, was für ambivalente Gefühle das in mir auslöst.
So zögere ich, wie eingangs gesagt, ob ich mein Abo der WOZ erneuern soll oder nicht. Ich bin links und schätze viele Aspekte der WOZ. Aber in den vergangenen Monaten ist diese Wertschätzung zunehmend sauer geworden. So dachte ich mir, ich schreibe diesen Brief, da Kommunikation immer besser ist als eine stille Faust im Sack und eine schweigende Kündigung. Wer weiss, was daraus entsteht.
In diesem Sinne freue ich mich auf Ihre Antwort!
Mit herzlichen Grüssen
(XY 😉)