Zwei Dinge für heute.
Das erste: ich brauchte einen PCR-Test, um am Sonntag an einer Veranstaltung teilnehmen zu können. Da ich keinen Nasenabstrich, sondern einen Spucktest machen wollte und zudem darauf angewiesen bin, dass das Ergebnis rechtzeitig vom Labor zurückkomme, hatte ich mich extra beim Kantonsspital angemeldet.
Nun kam ich also morgens um 9 Uhr dort an. Es war kalt und regnete. Das Testzentrum befand sich in einer Art Baracke, die vor dem Spitalgebäude aufgebaut war. Vor mir war eine ältere Dame. Es stellte sich heraus, dass sie Symptome hatte. Wie ich mithörte, war sie 70 Jahre alt. Als ich drankam, erfuhr ich, dass Spucktests nur für Kinder bis 16 Jahren gemacht werden. Ich fragte nach dem Grund. Die junge Frau, die mich bediente, wusste es nicht. Ich sagte ihr, dass ich an anderen Orten problemlos einen PCR-Spucktest machen könne. "Die Infektiologie hat das so beschlossen", sagte sie.
Also meldete ich mich für den Nasen-/Rachenabstrich an. Wir mussten warten. Die 70jährige Frau mit den Symptomen stand vor mir unter der Plastikblache im Regen. Sie hatte wohl Fieber, und es ging ihr nicht gut. Warten musste sie in der Kälte. Ich kam dann aus unerfindlichen Gründen zuerst dran (gewiss gibt es auch dafür einen Regelapparat). Ich musste Fragen nach meiner Gesundheitssituation beantworten, was ich sonst nie muss. Ich fragte erneut nach dem Spucktest. Auch dort erhielt ich dieselbe Antwort.
Dann ging ich durch den Regen zur nächsten Baracke, wo durch ein Fenster hindurch der Test ausgeführt wurde. Die Assistentin (es waren immer verschiedene), bat mich, zur Seite zu blicken, wo an der Wand ein Herz aufgeklebt war. "Ein Herz...", sagte ich. Sie führte den Test aus. Es tat enorm weh. Als sie fertig war, kamen mir die Tränen. "Du hast es gut gemacht", sagte sie zu mir.
Die Leute waren alle freundlich. Das System, das uns da zusammenführte, war es nicht. Die fiebrige Frau, die sicher 15 Minuten in Regen und Kälte warten musste. Die willkürlichen Testbestimmungen. Es war eine Maschinerie. Die Menschlichkeit lag einzig in der Freundlichkeit und möglicherweise dem heimlichen Unwohlsein der Angestellten. Ansonsten waren wir verloren in einem Räderwerk an Bestimmungen.
Das zweite: gestern las ich, dass der Berliner Senat eine 3G-Regelung für Bahnhöfe beschlossen habe. Zahlreiche Obdachlose können nun nicht mehr dort übernachten, wo es ein paar Grad wärmer ist als in der eisigen Kälte (Quelle: welt.de). Das heisst: die PolitikerInnen lassen Menschen an der Kälte verrecken, nur damit sie ihre Regelungen durchbringen.
Der Geist, der im Moment weht, zeigt hier seine Fratze ungeschminkt. Man kann sich lange über den Sinn und Unsinn von 3G unterhalten - aber das Wesentliche dabei ist der Geist, der weht. Es ist ein Geist, der jetzt in Berlin Menschenleben bewusst dem Kältetod ausliefert. Vor diesem Geist graut es mir.
Ich bin kein Freund von schnellen und unbedachten Vergleichen mit der deutschen Geschichte. Aber wenn ich so etwas höre, kann ich nicht anders, als an das berühmte Wort von Bertolt Brecht denken: "Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch."
Wie viele Kältetote wird es geben, bis dieser Geist zusammenbricht wie damals?