Gestern war ich an einer Ausstellung. Ich kenne den Veranstalter seit vielen Jahren. Wir haben nicht viel Kontakt, aber es verbindet uns eine schöne Freundschaft. In einem Moment sprach er mit einer Besucherin über die gegenwärtige Lage. Er ist zwar geimpft, aber problembewusst, sie war allem Anschein nach ungeimpft. "Die Spaltung ist das Problem", sagte sie.
Heute musste ich daran denken, als ich nach dem Mittag joggen ging. Das eigentliche Problem ist nicht die Impffrage, so dachte ich bei mir. Sondern dass jede*r von der eigenen Meinung denkt, dass dies die Wahrheit sei. Wenn ich gewisse Statements von politischer Seite höre, kommt mir dies stark entgegen. Es ist schon fast grotesk, wie beispielsweise Leute aus dem ach so säkularen links-grünen Lager klingen, als wären sie katholische Bischöfe aus der Zeit der Reformation: Es gibt eine Wahrheit, und wer sich ihr nicht fügt, muss bekämpft bzw. gezwungen werden.
Gestern gab mir eine Freundin einen Brief, den ein Bekannter von ihr an verschiedene Empfänger*innen seiner Institution geschrieben hatte. Der Brief handelte von den Gefahren der Spaltung und der Wichtigkeit des Brückenschlagens. Der Verfasser ist klar impfkritisch, aber er betont die Überwindung der Spaltung. Meine Freundin ist geimpft, aber ist zugleich ein Vorbild in diesem Brückenschlagen und eine Inspiration in Sachen Empathie und Solidarität.
Wie wäre es, wenn wir unsere Erfahrungen aus dem Bereich der Religionen nutzen würden? Wenn wir, egal ob wir nun Christen, Juden, Muslime, Esoteriker oder Atheisten sind, nicht darüber diskutieren würden, wer im Besitz der Wahrheit ist, sondern darüber, wie wir einander besser verstehen und unterstützen können?
Wiederum komme ich zu dem Schluss: letztlich ist das, was uns umtreibt, eine spirituelle Frage. Daran will ich festhalten, egal was für Beschlüsse unsere Regierung in den nächsten Tagen fällen wird.