Mürbe

Heute telefonierte ich mit einer mir nahestehenden Person.

 

Seit Wochen und Monaten muss sie sich mehrmals in der Woche testen lassen, damit sie überhaupt arbeiten kann. Sie arbeitet in einer Bildungsinstitution, und dort wird am Eingang jede*r kontrolliert. Für Mitarbeitende gibt es keinen separaten Eingang.

 

Da diese Praxis gegenüber Mitarbeitenden nicht legal ist (der Arbeitgeber darf keinen Test verlangen), hat sie sich bei der Leitung der Institution beschwert und um eine Stellungnahme gebeten. Das war vor Monaten. Eine Antwort hat sie bis heute nicht gesehen.

 

Wenn ich das mit meiner eigenen Situation vergleiche, weiss ich, dass diese Person es viel "härter" hat als ich. Wie viele solche Menschen gibt es? Die täglich dafür sorgen müssen, dass sie an den Restriktionen nicht zerbrechen?

 

Natürlich interessiert sich keine Bildungsleitung, keine politische Entscheidungskommission und schon gar kein Bundesrat für solche Schicksale. Da zählen nur Statistiken. Die Zahlen treten an die Stelle der Menschen. Und die Zahlen repräsentieren nicht mehr die Wirklichkeit. 

 

Da ich die besagte Person seit sehr langer Zeit kenne, weiss ich, dass sie durchkommen wird. Sie ist stark, viel stärker als ich, scheint mir manchmal. Aber ich weiss: sie und tausende von anderen Menschen brauchen jede Unterstützung, jede Solidarität und jede Handreichung. 

 

Durch mein Genesen-Zertifikat bin ich für den Moment eine Zeitlang "draussen". Aber in meinem Herzen bin ich drinnen. Und bleibe dort. Die Welt wurde noch nie von den Mainstream-Leuten verändert. Immer nur von den Aussenseitern. Später liest man dann von ihnen und bewundert sie. Aber solange sie Aussenseiter sind, schert sich niemand darum.

 

Solidarität, Menschlichkeit und freier Wille. Was früher Schlagwörter waren, sind jetzt die einzigen Wege, diese Situation zu überstehen, ohne daran seelisch kaputt zu gehen.

 

.... Gedanken streifen am Ende dieses arbeitsreichen Tages ....