Nach einem sehr reichhaltigen Frühstück ging ich zur Arbeit in die Bibliothek. Nach einigen Stunden brauchte ich eine Pause. Ich ging hinaus und spazierte durch einen Park. Als ich zurückkam, sah ich, dass in der Nähe der Bibliothek auf einem Platz etwa 15 Polizeiautos parkiert waren. Ich fragte in der Bibliothek eine Frau, die ich von meinen früheren Aufenthalten kannte, was es damit auf sich habe. Sie erzählte mir, dass an dem Abend die Montags-Spaziergänge zu erwarten seien, die wöchentlich stattfinden. Dabei handelt es sich um Spaziergänge von Menschen, die sich gegen den Impfzwang aussprechen, und die - um dem Versammlungsverbot zu entgehen - mit Kerzen individuell durch die Stadt spazieren. Heute, so sagte die Frau weiter, sei jedoch noch eine zweite Demonstration geplant, und zwar von Impf-Befürwortern.
Als 19 Uhr nahte, wollte ich der Sache auf den Grund gehen. Den Montags-Spaziergang fand ich zunächst nicht, wohl aber die Versammlung der Impf-Befürworter. Dort sollte eine Erklärung verlesen werden. Auf dem Platz waren zahlreiche Polizisten in Vollmontur aufgestellt. Nach einem einleitenden Song ergriff ein Mann das Wort und sprach mit sehr sanfter Stimme zu den etwa 30 versammelten Personen. Einige Angehörige der Montags-Spaziergänge kamen dann vorbei; sie hatten Kerzen in den Händen. Ich ging ein Stück mit ihnen.
Ich musste etwas essen. Also lief ich durch die Stadt. Ich kam an zahlreichen Geschäften vorbei. Buchhandlungen, Schuhgeschäfte und viele weitere sind nur noch für Geimpfte und Genesene zugänglich. Als gesunder, aber nicht geimpfter Mensch kannst Du Dir also nicht mal mehr ein Buch oder ein Paar Schuhe kaufen.
An einem weiteren Platz - wiederum beobachtet von zahlreichen Polizist:innen - fand eine Antifa-Demo statt. Ein junger Mann sprach auf Englisch und brandmarkte den Faschismus und den Kapitalismus, die Neokolonialisierung und viele weitere Phänomene. Was für eine Meinung er zur aktuellen Impf-Debatte hatte, wurde mir nicht klar. In Deutschland soll ja die Impfpflicht eingeführt werden.
Die Restaurants, die ich kannte, waren alle zu. Coronabedingt, wie es bei den meisten hiess. Als ich an den wenigen offenen Restaurants vorbeiging, löschte es mir ab. Ich wollte gar nicht da hineingehen. Lieber war ich mit den Montags-Spaziergänger:innen auf der Strasse. Also holte ich mir Take-Away.
Als ich zu meinem Hotel zurücklief, kam ich an der Versammlung der Impf-Befürworter vorbei. Gerade hiess es, dass sie sich für Demokratie und gegen Verschwörungsideen einsetzen wollten. Das KZ, das sich in der Nähe befindet, sei in den letzten Tagen vermehrt angeschrieben worden. Die Leute hätten die gegenwärtigen Corona-Massnahmen mit dem Nationalsozialismus verglichen. Die Erklärung, die die verlesen wurde, distanzierte sich von solchen "Geschichtsverdrehungen".
Ihr seid also gegen Leute, die gegen den Nationalsozialismus sind, dachte ich bei mir. Ob Euch das wohl bewusst ist?
Diese Ereignisse machen mir Angst. Ja, ich habe Angst, wenn ich so etwas sehe. Die Stimmung ist unberechenbar. Was wird mit all den Menschen geschehen, wenn tatsächlich die Impfpflicht in Deutschland kommt? Warum machen alle mit? Was muss noch geschehen, ehe das zusammenbricht?
Wie ich schon früher sagte, habe ich schnelle und unüberlegte Vergleiche mit der deutschen Vergangenheit nicht gerne. Aber mulmig wurde es mir heute dennoch. Sehr mulmig.